Machen Kältebehandlungen Sinn oder nicht?

Die Anwendung von Kälte als therapeutische Massnahme, insbesondere im Bereich der Sportphysiotherapie, ist seit Jahren Gegenstand intensiver Diskussionen. Traditionell galt die Kältetherapie, auch bekannt als Eisbehandlung, als eine Standardmethode zur Behandlung von Verletzungen und zur Schmerzlinderung.
Physiotherapie und Kältebehandlungen

Was ist der aktuelle Stand der Wissenschaft im Hinblick auf Kältebehandlungen?

Es gibt wenige Themen, die seit Jahren so sehr im (Sport-)physiotherapeutischen Bereich diskutiert werden, wie die Anwendung von Kälte. Obwohl es lange Zeit als Standardbehandlung angesehen wurde, gibt es mittlerweile verschiedene Meinungen und Studien, die die Wirksamkeit der Eisbehandlung in Frage stellen.

Physiotherapie und Kältebehandlungen

Wie sinnvoll ist Eis bei akuten Verletzungen wirklich?

Es ist wichtig zu wissen, dass es keine einheitliche Antwort auf diese Frage gibt. Man sollte, wann immer möglich, immer mit einem qualifizierten Physiotherapeuten sprechen, um die beste Behandlungsoption für die spezifische Verletzungssituation zu ermitteln und um mögliche Risiken zu minimieren.
So sollte zum Beispiel der direkte Kontakt von Haut mit Eis eher vermieden werden, da dies zu lokalen Erfrierungen führen kann.

Eis ist vor allem bei akuten Verletzungen wie Verstauchungen, Prellungen oder Zerrungen eine sinnvolle Massnahme. Durch das Auflegen von Eis auf die betroffene Stelle kann die Durchblutung reduziert werden, was zu einer Verringerung von Schwellungen und Entzündungen führen kann. Es kann auch für eine vorübergehende Schmerzlinderung sorgen. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass Eis allein natürlich keine Heilung bewirken kann und nicht für alle Verletzungen geeignet ist (Hohenauer E, et al. (2015)).

Es gibt verschiedene Methoden, um Kälte in der Sportphysiotherapie anzuwenden, wie z.B. Eisspray, Crushed Ice oder in Form von Eiswasser getränkten Schwämmen in einem speziellen Eiskoffer.
In der Erstversorgung von akuten Sportverletzungen (am besten so schnell wie möglich z.B. noch am Spielfeldrand) haben sich Kombinationstherapien, wie durch die sogenannte «PECH- Regel» empfohlen, bewährt (Pause, Eis, Kompression, Hochlagern).

Wann wird Kälte im Sportbereich noch angewendet?

Kälte wird im Sport vor dem Training oder auch während des Wettkampfes angewendet, um die Muskulatur zu kühlen und die Durchblutung zu reduzieren. Dies kann dazu beitragen, die Körperkerntemperatur zu senken und die Leistungsfähigkeit zu verbessern – so wie zum Beispiel beim Ironman auf Hawaii, bei dem die Athleten über acht bis zwölf Stunden, bei teilweise über 40 °C, Höchstleistungen abrufen müssen.

Kälte zur Regeneration

Eis zur Regeneration wird oft nach intensiven Trainingseinheiten oder Wettkämpfen eingesetzt. Wie in den Untersuchungen unter anderem von Bleakley C, McDonough S, und Kollegen, 2012, beschrieben, wird durch die Anwendung auf beanspruchte Muskeln oder Gelenke die Durchblutung kurzfristig reduziert, was zu einer Verringerung von Entzündungen, Schwellungen und Muskelkater führen kann. Dies kann dabei helfen, den Heilungsprozess überlasteter Muskeln zu beschleunigen und die Erholung zu fördern. Das Eisbad oder die «Eistonne» ist eine sehr verbreitete Methode, um Kälte zur Regeneration einzusetzen. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass Kälte allein nicht ausreicht, um eine vollständige Regeneration zu gewährleisten. Eine ausgewogene Ernährung, ausreichend Schlaf und die Kombination mit anderen Regenerationsmassnahmen sind ebenfalls sehr wichtig.

Physikalische Grundlagen der Kältetherapie

Die physikalischen Grundlagen der Kältetherapie basieren auf den thermodynamischen Eigenschaften und deren Auswirkungen auf den Körper. Sie erklären, warum Kälte bei verschiedenen medizinischen Zuständen wie Verletzungen, Entzündungen, Schmerzen und postoperativen Schwellungen eingesetzt wird.

  • Vasokonstriktion: Kälte führt zu einer Verengung der Blutgefässe (Vasokonstriktion). Die Durchblutung bzw. der Blutfluss in den behandelten Bereich wird dadurch reduziert und die Tendenz für Entzündungen und Schwellungen wird heruntergefahren.
  • Schmerzlinderung: Kälte kann Schmerzen lindern, indem sie die Nervenleitfähigkeit verringert. Dies führt zu einer vorübergehenden Schmerzreduktion.
  • Stoffwechselveränderungen: Kälte kann den Stoffwechsel im Körper verändern. Es kann den Sauerstoff- wie auch den Energieverbrauch reduzieren und den Stoffwechsel verlangsamen. Dies kann bei der Behandlung von Entzündungen und Schmerzen helfen.
  • Gewebeschutz: Wie Castellani & Young (2016) in ihrem Review: «Human physiological response to cold exposure» beschrieben haben, kann Kälte Gewebe vor Schäden schützen – insbesondere bei Verletzungen oder Operationen. Dies geschieht hauptsächlich durch das «Zurückfahren» des Stoffwechsels und der Durchblutung in den betroffenen Gebieten.

Bei der Wahl der optimalen Kälteanwendung muss entschieden werden:

  • wo genau die Kälte angewendet werden soll (Lokalisation)
  • in welcher Tiefe die Kälte wirken soll
  • welcher Kälteträger sinnvoll ist
  • mit welcher Temperatur die beste Wirkung erreicht werden kann und
  • wie lange die Kälte (dauerhaft oder intermittierend) in das Gewebe eindringen und wirken soll

Wichtigste Wirkungen der Kältetherapie

  • Schmerzreduktion
  • Schwellungsreduktion
  • Entzündungshemmung
  • Muskelentspannung
  • Rehabilitationsverbesserung

Fazit zu Kältebehandlungen

Die jeweils sehr individuelle Situation des Sportlers oder der Sportlerin sollte immer adäquat von einem erfahrenen Physiotherapeuten eingeschätzt werden. So kann gewährleistet werden, dass die Kältebehandlung sinnvoll eingesetzt und mögliche Risiken ausgeschlossen werden.

Dieses Physiotherapie-Wissen stammt von:

Tina Baumann

Dipl. Physiotherapeutin
Dipl. Manualtherapeutin

Quellen:

Castellani JW, Young AJ. Human physiological responses to cold exposure: Acute responses and acclimatization to prolonged exposure. Auton Neurosci. 2016 Apr; 196:63-74. doi: 10.1016/j.autneu.2016.02.009. Epub 2016 Feb 21.

Hohenauer E, Taeymans J, Baeyens JP, Clarys P, Clijsen R.PLoS One. The Effect of Post-Exercise Cryotherapy on Recovery Characteristics: A Systematic Review and Meta-Analysis. 2015 Sep 28;10(9): e0139028. doi: 10.1371/journal.pone.0139028. eCollection 2015

Bleakley C, McDonough S, Gardner E, Baxter GD, Hopkins JT, Davison GW. Cold-water immersion (cryotherapy) for preventing and treating muscle soreness after exercise. Cochrane Database Syst Rev. 2012 Feb 15;2012(2):CD008262. doi: 10.1002/14651858.CD008262.pub2. PMID: 22336838; PMCID: PMC6492480.